Differenzstrom Überwachung erhöht Betriebssicherheit

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Fehlerstromschutzschalter dienen dem Schutz gegen gefährliche Körperströme. Gefährliche Körperströme treten immer dann auf, wenn Ströme nicht über den Neutralleiter, sondern über den Schutzleiter abgleitet werden. Alle metallenen Installationen, also auch Datenracks, der Doppelboden etc. sind in den Potentialausgleich einbezogen. Sofern ein Betriebsmittel der Schutzklasse 1 entspricht, ist das metallene Gehäuse mit dem Schutzleiter verbunden und somit auch mit dem Potentialausgleich.

Fehlerstromschutzschalter vergleichen nun die Stromdifferenz aller spannungsführenden Leiter mit dem Neutralleiter. Wird eine bestimmte Größenordnung überschritten, sind die Fehlerströme, die möglicherweise über das Gehäuse eines Betriebsmittels abgeleitet werden, so groß, dass sie bei direkter Berührung eine Gefahr für die berührende Person darstellen können. In diesem Fall schalten die Fehlerstromschutzschalter dann automatisch ab und verhindern so, dass gefährliche Körperströme über andere Wege, als durch den Neutralleiter fließen können. Die Grenzwerte liegen üblicherweise bei 30 mA.

Betriebsmäßige Ableitströme sind jedoch immer vorhanden. Gerade in den Netzteilen der IT-Hardware sind sie durch die Elektronik sehr ausgeprägt und die Summe aller Ableitströme bei vielen Netzteilen kann schnell dafür sorgen, dass Fehlerstromschutzschalter abschalten, obwohl noch kein lebensgefährlicher Fehlerstrom vorliegt.

Die DIN VDE 0100, Teil 410 schreibt Fehlerstrom-Schutzschalter vor für „Steckdosen mit einem Bemessungsstrom nicht größer 20A, die für die Benutzung durch Laien und zur allgemeinen Verwendung bestimmt sind. Ausnahmen sind nur für Steckdosen zulässig, die durch Elektrofachkräfte oder elektrotechnisch unterwiesene Personen überwacht werden oder Steckdosen, die jeweils für den Anschluss nur eines bestimmten Betriebsmittels errichtet werden. In Fällen, bei denen ausschließliche Verwendung der Steckdose für bestimmte Betriebsmittel in Zweifel gezogen wird, wird empfohlen, entweder auf die Ausnahme zu verzichten oder das bestimmte Betriebsmittel fest anzuschließen.“

Bild 1: Abschaltung durch Fehlerstromschutzschalter im Fehlerfall

Soviel zur Norm. Damit müsste streng genommen die PDU (Power Distribution Unit – oder auch Steckdosenleiste) im Datenschrank über einen Fehlerstromschutzschalter abgesichert sein, da die Absicherung in der Regel ein- oder dreiphasig 16 A beträgt. Doch wie sieht es mit den speziellen C13 oder C19-Steckverbindungen in den heutigen PDU’s aus? Sind sie nicht für den „Anschluss nur eines bestimmten Betriebsmittels errichtet“, also für IT-Hardware etc. Die Betriebsmittel, also IT-Hardware wechseln häufig. Bestehen somit Zweifel? In diesem Fall müsste wiederum auf die Ausnahme verzichtet werden oder das Betriebsmittel fest angeschlossen werden. Dass dies gerade im Rechenzentrum nicht möglich ist, liegt auf der Hand.

Diese Zwänge kennen wir noch aus einem anderen Bereich, nämlich der Medizin. Es wäre geradezu fahrlässig, lebenserhaltende Betriebsmittel wie z.B. die Herz-Lungen- Maschine bei der kleinsten Störung abzuschalten. Die Maxime heißt also Meldung vor Abschaltung. In medizinisch genutzten Räumen der Anwendungsgruppe 2 (OP-Räume etc.) werden Isolationsüberwachungen installiert, die normativ zugelassen sind. Bei einem Fehler wird gemeldet, aber nicht abgeschaltet. In den Endstromkreisen werden oftmals weiter Differenzstromüberwachungen eingebaut, um den Fehler schnell eingrenzen zu können. Durch das permanente Messen erkennen sie frühzeitig Störungen und eine meist schleichende Erhöhung von Differenzströmen. Der Vergleich hinkt zwar ein bisschen, da in medizinisch genutzten Räumen eine andere Netzform vorgeschrieben ist, die Ausgangssituation und die stromseitigen Auswirkungen sind aber dieselben.

Diese Art der Überwachung kann also auch in Rechenzentren angestrebt werden. Der unbewussten Abschaltung durch Fehlerstrom-Schutzschalter kann man so gezielt entgegenwirken und Differenzstromüberwachungen installieren sowie deren Werte an ein Monitoring weiterzuleiten und aufzuzeichnen.

Bild 2: Differenzstromüberwachung ohne Abschaltung

Eine weitere Vorschrift zwingt uns zur bewussten Abschaltung – die BGV A3-Prüfung. Bei der BGV A3 handelt es sich um eine Unfallverhütungsvorschrift der Berufsgenossenschaften, die Gesetzescharakter hat. Nach §5 hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass die elektrischen Anlagen und Betriebsmittel auf ihren ordnungsgemäßen Zustand geprüft werden vor der ersten Inbetriebnahme und nach einer Änderung oder Instandsetzung vor der Wiederinbetriebnahme. Zu diesem Zeitpunkt ist die elektrische Anlage noch gar nicht in Betrieb. Somit ist diese Prüfung auch unter Verfügbarkeitsgesichtspunkten unkritisch.

Was Rechenzentren jedoch zu schaffen machen sind die Überprüfung der elektrischen Anlagen und Betriebsmittel in bestimmten Zeitabständen, wie dies in §5, Punkt 2 gefordert wird. Bei Betriebsmitteln wird zwischen ortsfesten und ortsveränderlichen Betriebsmitteln unterschieden. Ortsfeste Betriebsmittel sind dadurch charakterisiert, dass sie fest angebracht sind oder keine Tragevorrichtung haben und deren Masse so groß ist, dass sie nicht leicht bewegt werden können. IT-Hardware wird in der Regel schneller getauscht und erneuert, als dass es einer Wiederholungsprüfung unterzogen werden muss. Somit ist die Kategorisierung in ortfestes oder ortsveränderliches Betriebsmittel gar nicht so ausschlaggebend. Trotzdem sind die Zeitabstände der Wiederholungsprüfung zu beachten. Diese bestimmten Zeitabstände oder auch Wiederholungsprüfungen sind für elektrische Anlagen und ortsfeste Betriebsmittel alle 4 Jahre, bei ortsveränderlichen Betriebsmitteln zwischen 6 Monaten bis 2 Jahren.

Die Prüfung umfasst dabei folgende Arbeiten:


Elektrische Betriebsmittel:

  • Sichtprüfung, um festzustellen, dass beim zu prüfenden Betriebsmittel keine äußeren sicherheitsrelevanten Mängel vorliegen.
  • Messungen in Abhängigkeit vom jeweiligen Prüfungstyp und der Schutzklasse
    • Messung des Schutzleiterwiderstande
    • Messung des Isolationswiderstandes
    • Messung des Ersatzableitstromes
    • Messung des Berührungsstromes
    • Messung des Differenzstromes
  • Funktionsprüfung auf einwandfreie Funktion

 

Elektrische Anlagen

  • Sichtprüfung mit den Schwerpunkten:
    • Schutz gegen direktes Berühren aktiver Teile vorhanden?
    • Entsprechen die Maßnahmen zum Schutz vor indirektem Berühren noch den Normen?
    • Sind die Überspannungs- und Überstrom-Schutzeinrichtungen vorhanden, richtig eingestellt oder bestückt?
    • Sind die Überstrom-Schutzeinrichtungen dem Leiterquerschnitt entsprechend bemessen und zutreffend
    • Sind Schaltpläne, Beschriftungen der Stromkreise, Betriebsanleitungen etc. vorhanden und zutreffend?
    • Sind Einrichtungen zur Unfallverhütung und Brandbekämpfung vorhanden?
    • Ist der Zustand der Erdungsanlage nach VDE gegeben
  • Messungen:
    • Nennwerte (Spannung und Strom)
    • Schleifenimpedanz und Abschaltstrom
    • Erdungswiderstand
    • RCD-Prüfung
    • Isolationswiderstand
    • Durchgängigkeit und Widerstand des Schutz- und Potentialausgleichsleiters
    • Drehfeld
  • Funktionsprüfung
    • Isolationsüberwachungsgeräte, RCD- und sonstige Schutzschalter
    • Wirksamkeit von Schutzeinrichtungen
    • Funktionsfähigkeit von erforderlichen Melde- und Anzeigeeinrichtungen
  • Sonstiges
    • Überprüfung der Klemm- und

Schraubverbindungen auf festen Sitz (kann beim Einsatz von Federklemmverbindungen entfallen)

Aus der Fülle von durchzuführenden Arbeiten kristallisieren sich 3 Tätigkeiten heraus, bei denen die Spannung abgeschaltet werden muss. Für das Rechenzentrum bedeutet dies eine teilweise oder komplette Abschaltung einzelner Versorgungszweige.

Die Tätigkeiten sind:

  • Messung des Isolationswiderstandes bei elektrischen Betriebsmitteln und elektrischen Anlagen
  • Funktionsprüfung von Schutzeinrichtungen in elektrischen Anlagen
  • Überprüfung der Klemm- und Schraubverbindungen auf festen Sitz in elektrischen Schaltanlagen

Der Isolationswiderstand ist zwischen jedem aktiven Leiter und dem Schutzleiter oder Erde zu messen. Die Messung erfolgt in einzelnen Schritten der Reihenfolge Schutzleiter (PE) gegen Neutralleiter (N) und dann Schutzleiter gegen alle Außenleiter (L1, L2, L3). Gemessen wird durch die kurzzeitige Einspeisung einer hohen Messspannung bei geringer Kapazität der Stromquelle, was mit speziellen Messgeräten erfolgt. Um die Messungen durchführen zu können muss die Spannung abgeschaltet werden. Spannungsempfindliche Verbraucher in der Messstrecke müssen entfernt werden, da ansonsten durch die hohe Messspannung eine Zerstörung erfolgen kann.

BGV A3, §2 beschreibt in Absatz 2, dass „eine elektrotechnische Regel als eingehalten gilt, wenn eine ebenso wirksame andere Maßnahme getroffen wird. Der Berufsgenossenschaft ist auf Verlangen nachzuweisen, dass die Maßnahme ebenso wirksam ist.“

Dieser geforderten „ebenso wirksamen Maßnahme“ wird durch die Verwendung von Differenzstromüberwachungen Rechnung getragen, da der Isolationswiderstand permanent gemessen wird. Was allerdings fehlt ist die automatische Abschaltung bei der Überschreitung der zulässigen Grenzwerte. Es empfiehlt sich daher, die „Ersatzmaßnahme“ mit der zu prüfenden Stelle der Berufsgenossenschaft abzustimmen und genehmigen zu lassen.

Ein weiterer Vorteil der Differenzstromüberwachung liegt auf der Hand: Die Messung des Isolationswiderstandes ist eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt der Messung. Isolationswiderstandsminderungen werden so überhaupt nicht oder nur sehr schwer erkannt. Durch die permanente Differenzstromüberwachung erkennt man Isolationswiderstandsminderungen schon sehr frühzeitig und kann so einem möglichen Schaden viel früher entgegenwirken, als dies mit der Isolationswiderstandsmessung möglich wäre.

Vergessen darf man bei alledem nicht, dass Schutzeinrichtungen regelmäßig überprüft und beispielsweise Leistungsschalter regelmäßig gewartet werden müssen. Dabei muss allerdings nur partiell abgeschaltet werden und ein überlegter Aufbau der Elektroversorgung sorgt für den unterbrechungsfreien Weiterbetrieb des Rechenzentrums.

Das überprüfen von kleinen Klemm- und Schraubverbindungen mit geringen Strömen kann ggfs. mit isoliertem Werkzeug unter Spannung erfolgen. Bei großen Schraubverbindungen wie sie beispielsweise an den Kupferschienen in den Elektroverteilern vorkommen, kann mithilfe von angebrachtem Sicherungslack durch die Sichtprüfung alleine schon eine Veränderung erkannt werden. Regelmäßige Aufnahmen mit der Wärmebildkamera sind als ergänzende Maßnahme zu sehen, um sich lockernde Verbindungen frühzeitig zu detektieren. Das Abschalten der kompletten Elektroverteilung kann so wiederum nach Rücksprache mit der Berufsgenossenschaft auf bis zu 10 Jahren hinausgezögert werden.

Alle weiteren oben genannten Prüfungen müssen trotzdem in den vorgeschriebenen Zeitabständen durchgeführt werden. Die vorgeschlagenen „Ersatzmaßnahmen“ der 3 genannten Tätigkeiten, bei denen die Spannung abgeschaltet werden müsste, ersetzen diese nicht.

Ebhausen, 27.05.2014

Bernd Dürr / DÜRRRZ

 

Dipl.-Ing. (FH) Bernd Dürr ist Autor des aktuellen Fachbuchs “IT-Räume und Rechenzentren planen und betreiben" (http://www.duerr-rz.de).